Pools of Thought
Entwurf 2. Runde
Universität Konstanz
John Klima & Christiane Paul, 2003
Einleitung Pools of Thought (Gedankensphären), die vorgeschlagene virtuelle Erweiterung der Sozialwisschenschaftlichen Bibliothek der Universität Konstanz, repräsentiert eine neue Ära des Bibliothekswesens - eine Ära, in der die Bibliothek nicht einfach ein Gebäude darstellt, das Bücher katalogisiert und lagert, sondern eine Informationsarchitektur im wörtlichen und metaphorischen Sinne. Im digitalen Zeitalter dient die Architektur einer Bibliothek nicht nur den Benutzern im physischen Raum des Gebäudes, sondern einer zunehmend vernetzten und mobilen, globalen akademischen Gemeinschaft. Pools of Thought kombiniert die Gegensätzlichkeit der physischen und virtuellen Existenz einer Bibliothek durch die Verbindung des Gebäudes, des digitalen Bibliothek-Katalogs, und der Besucher des physischen und virtuellen Raumes. Ein Bibliotheksgebäude und ein virtueller Katalog basieren auf unterschiedlichen Formen der Informationsarchitektur und Kommunikation von Wissen. Das Wort ‘Informationsraum’ wird heute weitgehend im Kontext digitaler Technologien und des Internet benutzt. Letztendlich kreiert aber jeder Container von Information, sei es eine Bibliothek, ein Gebäude oder eine Stadt, seinen eigenen Datenraum und eine spezifische Informationsarchitektur, auch wenn die Eigenschaften dieses physischen Datenraumes sich von denen des virtuellen und dynamischen unterscheiden. Eine Bibliothek ist ein räumliches Archiv, dessen Inhalt durch Indexnummern strukturiert wird und auf einer Anordnung von Publikationen in Stockwerken und Regalen basiert. Besucher einer Bibliothek bewegen sich auf weitgehend vorbestimmten Pfaden, und der Zugriff auf Bücher vollzieht sich im Rahmen eines konfigurierten räumlichen Arrangements. Die ‘Schritte’ und Nachforschungen eines Bibliotheksbesuchers sind ‘körperlos’ und hinterlassen nicht notwenigerweise sichtbare Spuren. Im Gegensatz zum Gebäude hat der virtuelle Katalog einer Bibliothek einen weniger definierten Eingang and gibt Benutzern flexiblere Möglichkeiten, Informationen zu navigieren, auszuwählen und zusammenzustellen - üblicherweise nach Themen, Schlagworten, Autoren, Titeln etc. Die Resultate einer Suche reflektieren jedoch selten das räumliche Arrangement der Bücher in Regalen - die ortsspezifischen Aspekte einer Bibliothek, die ebenfalls Aufschluss über eine Strukturierung von Wissen geben, werden in der virtuellen Datenfilterung nicht sichtbar. Ein Teil der Anziehungskraft einer Bibliothek geht verloren, wenn man nicht in der Lage ist, Bücher zu durchstöbern. Ein virtueller Benutzer, der zwar in der Lage ist, mit Effizienz zu finden, was er sucht, verliert oft die Fähigkeit, rein zufällig auf relevantes Material zu stossen. Ein Vorteil digitaler Technologien besteht in der Möglichkeit, die Wege des Benutzers einer virtuellen Bibliothek aufzuzeichnen - den Prozess der Sammlung und Zusammenstellung von Gedanken und Wissen. Die Interaktionen und Interventionen virtueller Benutzer können nachvollzogen und kartographiert werden und somit eine Interessensgemeinschaft formen, die eine kontextuelle Meta-Ebene zum Verständnis der Wissensfilterung bietet. Pools of Thought, programmiert in Java, besteht aus einem drei-dimensionalen Gebäudeplan der Bibliothekserweiterung, der direkt mit dem digitalen Katalog der Bibliothek verbunden und über das Internet zugänglich ist. Eingebunden in die Schnitte der einzelnen Stockwerke sind ‘Gedankensphären’, Fachgebiete und Themen, die entsprechend ihrer räumlichen Anordnung im physischen Gebäude im virtuellen Raum dargestellt sind. Wenn Bibliotheksbenutzer auf den existierenden digitalen Katalog zugreifen und eine Suche starten (online oder in der Bibliothek selbst), wird ihre Anfrage und Auswahl anonym aufgezeichnet und der jeweiligen Gedankensphäre hinzugefügt, die den Standort des Themas im Gebaüde repräsentiert. Der virtuelle Benutzer wird somit direkt mit der Räumlichkeit des Bibliotheksgebäudes verbunden. Durch die Aufzeichnung der Anfrageergebnisse virtueller und lokaler Benutzer und ihrer Positionierung in der digitalen Repräsentation des physischen Raums erlaubt das Projekt virtuellen Besuchern, in der Bibliothek ‘präsent’ zu ein und die Regale zu durchstöbern. Sie können durch die Bibliothek ‘wandern’, sich ansehen, woran andere Benutzer interessiert sind und die "Gedanken" nachvollziehen, die sich in der Bibliothek formen. Innerhalb des Gebäudes könnte das Projekt auch auf Touch-Screen Monitoren gezeigt werden, die strategisch an Knotenpunkten in der Bibliothekserweiterung plaziert werden könnten. Die Erfahrung lokaler Besucher würde durch die Möglichkeit bereichert, sowohl die virtuellen Besucher als auch Aktivitäten in anderen Stockwerken wahrnehmen zu können. Virtuelle und lokale Besucher könnten sich somit ‘zwischen den Regalen begegnen.’ Virtuelle Benutzer haben die Option, sich der Gemeinschaft einer Gedankensphäre anzuschliessen, indem sie ihre Präsenz öffentlich machen. Wenn sich Besucher entschliessen, sich der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, werden Ihre E-Mail-Adressen dem Pool hinzugefügt und sie werden für andere Benutzer, mit denen sie Interessen teilen, erreichbar. Pools of Thought ist sowohl eine akkurate Karte des Bibliotheksgebäudes und der Katalogbenutzung als auch ein erweiterter Blick auf die Kommunikation von Wissen. Das Projekt zeigt die Bibliothek als einen Wissensraum, der normalerweise unsichtbar bleibt, und visualisiert die Evolution kulturellen Gedankenguts in einem Multi-User Interface - einem kollektiven Bewusstsein, das ein neues Verständnis von Wissensprozessen ermöglicht. |